DARF man das denn?

Die Rechtslage zum Freilernen ist in verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich.

  • In manchen Staaten ist die Bildung außerhalb der Institution Schule der anerkannte „Normalzustand“: Wenn zB. in England ein junger Mensch nicht aktiv an einer Schule angemeldet wird, kann er sich ohne weitere Hindernisse frei und eigenverantwortlich bilden, ohne dass ein Lehrplan, Überprüfungen oder dergleichen vorgeschrieben wären.
  • Manche Staaten unterstützen die Familien dafür sogar finanziell (z.B. Kanada).
  • In anderen Staaten hingegen wie zB. in Deutschland herrscht Schulanwesenheitspflicht und diese wird mit allen Mitteln der Staatsgewalt – bis hin zum Entzug der Obsorge – durchgesetzt.

In diesem Informationsblatt sind die Rahmenbedingungen in einigen Staaten mit offenem Bildungssystem sowie statistische Erfahrungen und Resultate zusammengefasst.

Österreich ist in diesem Spektrum im hinteren Mittelfeld angesiedelt. Einerseits ist der sogenannte „häusliche Unterricht“ seit den Zeiten der Monarchie als Grundrecht im Verfassungsrang gesichert (Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger(a)). Andererseits ist auch eine 9-jährige Schulpflicht in Artikel 14 Abs. 7a Bundes-Verfassungsgesetz(b) verankert.

Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt § 11 Schulpflichtgesetz(c) die Voraussetzungen für die Erfüllung der Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht (bzw. am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht). Demnach ist der häusliche Unterricht jeweils zum Ende des vorangehenden Schuljahres (noch vor Beginn der Sommerferien) anzuzeigen, und der zureichende Erfolg ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung „an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule“ nachzuweisen.

Welche Schulen damit vom Gesetzgeber gemeint sind, wird unterschiedlich interpretiert. Die Schulbehörden verstehen darunter ausschließlich öffentliche Schulen, obwohl §4 Schulpflichtgesetz(d) festhält, dass unter den in §5 genannten Schulen auch mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen sind. Würden sich die Schulbehörden daran halten, so könnten die Prüfungen z.B. auch an jenen Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht, die das gleiche pädagogische Konzept des Freilernens anwenden, abgelegt werden.

Festzuhalten ist aber bedauerlicherweise, dass die Schulbehörden derzeit darauf bestehen, dass die Prüfungen nur an öffentlichen Schulen abgelegt werden können und daher auch der allgemeine öffentliche Lehrplan einzuhalten ist. Bedenken, dass dieses Vorgehen der Schulbehörden das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf häuslichen Unterricht verletzt, wurden vom Verfassungsgerichtshof bislang nicht geteilt.

Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass Freilernen – ohne das Korsett eines vorgeschriebenen Lehrplans und ohne eine erzwungene Beurteilung durch Außenstehende – derzeit in Österreich rechtlich nicht möglich ist.

Von einer finanziellen Gleichstellung gegenüber Privatschulen oder gar öffentlichen Schulen oder einer sonstigen aktiven öffentlichen Förderung dieses erwiesenermaßen bewährten Bildungsweges kann leider gar keine Rede sein.

Aus diesem Grund hat sich im Sommer 2013 die Initiative Freilernen 2013 gebildet, die sich zum Ziel gesetzt hat, dass Freilernen/Frei-Sich-Bilden/Unschooling in Österreich als gleichwertige Bildungsform anerkannt wird. Nach der Neupositionierung des Vereins 2015 trägt nun der ganze Verein die Initiativenziele mit.

Volltext der oben zitierten Paragraphen
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(a) Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger

Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger:

Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.
Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.
[…]
Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.

(b) Art. 14 Abs. 7a Bundes-Verfassungsgesetz

Art. 14 Abs. 7a Bundes-Verfassungsgesetz:
Die Schulpflicht beträgt zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

 

(c) § 11 Schulpflichtgesetz

§ 11 Schulpflichtgesetz:

(1) Die allgemeine Schulpflicht kann – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnischen Schule – mindestens gleichwertig ist.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Landesschulrat anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

(d) § 4 Schulpflichtgesetz

§ 4 Schulpflichtgesetz:
Unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen sind öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.